IAS 39 ist ein Standard, der gegenwärtig grundlegend überarbeitet oder eigentlich – um genau zu sein – gestrichen wird. Der Standard wird schrittweise vollständig durch den neuen Standard für Finanzinstrumente ersetzt, IFRS 9. Lesen Sie dazu auch unseren Beitrag „IAS 39 oder IFRS 9: Schluss mit der Verwirrung!“.
Im Zuge dieses Verfahrens wurden bereits große Teile von IAS 39 gestrichen und durch IFRS 9 ersetzt. Da jedoch IFRS 9 voraussichtlich erst ab 2015 verpflichtend anzuwenden sein wird, können die Unternehmen derzeit auf Wunsch noch nach dem alten IAS 39 bilanzieren. In dieser Zusammenfassung beschreiben wir IAS 39 daher vollständig, jedoch unter Einbeziehung der bereits durch IFRS 9 ersetzten Teile, weil der alte Text noch bis 2015 in Kraft bleibt.
IAS 39 regelt den Ansatz und die Bewertung beinahe aller Arten von Finanzinstrumenten. Typische Beispiele hierfür sind Zahlungsmittel, Bankeinlagen, Schuld- und Beteiligungsinstrumente (Anleihen, Schatzbriefe, Aktien etc.), Derivate, Kredite und Forderungen sowie vieles andere mehr.
IAS 39 listet auch ausdrücklich auf, was nicht im Geltungsbereich des Standards enthalten ist. Über diese Aspekte, etwa über Beteiligungen an Tochterunternehmen oder Gemeinschaftsunternehmen, informieren andere Standards.
Auf Grund der erheblichen Komplexität von IAS 39 haben wir beschlossen, diese Zusammenfassung in mehrere logische Blöcke zu unterteilen.
IAS 39 teilt Finanzanlagen in vier Hauptkategorien ein:
Unabhängig von der ursprünglichen Klassifizierung des Finanzinstruments gestattet IAS 39 grundsätzlich dessen ursprüngliche Designierung erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert (wobei der beizulegende Zeitwert zuverlässig festgestellt werden muss).
Die erstmalige Klassifizierung finanzieller Vermögenswerte und finanzieller Verbindlichkeiten ist wegen ihrer nachfolgenden Bewertung wesentlich.
Eingebettete Derivate erlangten vor einigen Jahren für Wirtschaftsprüfer und Buchhalter große Bedeutung, als man plötzlich feststellte, dass sie beinahe überall vorkommen.
Ein eingebettetes Derivat ist einfach ein Vertragsbestandteil eines hybriden Finanzinstruments, das auch einen nicht derivativen Basisvertrag enthält. Ein typisches Beispiel dafür ist etwa ein Mietvertrag, der über mehrere Jahre im Voraus abgeschlossen wird, wobei die Inflationsanpassung des Mietpreises anhand des Verbraucherpreisindexes erfolgt.
Der nicht derivative Teil ist in diesem Fall die Miete einer Immobilie oder Anlage. Das eingebettete Derivat ist der an den Verbraucherpreisindex angepasste Terminkontrakt.
IAS 39 schreibt immer dann eine Trennung des eingebetteten Derivats vom Basisvertrag vor, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:
Trennung bedeutet, dass Sie das eingebettete Derivat gemäß IAS 39 gesondert vom Basisvertrag (in diesem Fall der Miete) und diesen gemäß einem anderen anwendbaren Standard erfassen. Ist das für die Berichtseinheit nicht möglich, muss der gesamte Vertrag als finanzieller Vermögenswert, erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert bewertet, erfasst werden.
IAS 39 schreibt die Erfassung eines finanziellen Vermögenswerts oder einer finanziellen Verbindlichkeit in der Darstellung der Vermögenslage (Bilanz) vor, wenn die Berichtseinheit Vertragspartei des Finanzinstruments wird.
Dies scheint zunächst offensichtlich, doch hier kommt es darauf an, auch Derivate in der Darstellung der Vermögenslage (Bilanz) zu erfassen. Wir betonen dies deshalb, weil viele Länder die Erfassung von Derivaten nicht vorschreiben, verursachen diese doch normalerweise keine oder nur sehr geringe Anschaffungskosten. Doch im Laufe der Zeit verändert sich der beizulegende Zeitwert der Derivate und das kann wesentliche Auswirkungen auf die Gewinn- und Verlustrechnung und die Darstellung der Vermögenslage haben.
Finanzielle Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten sind zunächst zu ihrem beizulegenden Zeitwert zu erfassen. Werden finanzielle Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten NICHT erfolgswirksam zu ihrem beizulegenden Zeitwert erfasst, fließen die direkt zurechenbaren Transaktionskosten in die erstmalige Bewertung ein.
Wie oben dargelegt, hängen die Folgebewertung und die bilanzielle Behandlung der Gewinne oder Verluste aus späteren Bewertungen massiv von der Klassifizierung der finanziellen Vermögenswerte und Verbindlichkeiten ab.
Tatsächlich gehören derivative finanzielle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten der Kategorie „erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert“ an, aber wir stellen sie zu Ihrer Bequemlichkeit gesondert dar.
Eine Berichtseinheit muss am Ende jeder Berichtsperiode feststellen, ob ein objektiver Hinweis für eine Wertminderung eines finanziellen Vermögenswerts vorliegt oder nicht. Liegt ein solcher Hinweis vor, muss die Berichtseinheit die Höhe der Wertminderung berechnen.
Die Wertminderung wird als die Differenz zwischen dem Buchwert eines Vermögenswerts und dem Barwert der geschätzten Zahlungsströme, abgezinst zum ursprünglichen Effektivzinssatz des finanziellen Vermögenswerts, berechnet. Die Wertminderung ist in der Gewinn- und Verlustrechnung zu erfassen.
Eine Verringerung oder Auflösung der Wertminderung ist möglich, jedoch nur dann, wenn in einer späteren Periode die Wertminderung zurückgeht und der Rückgang in direktem Zusammenhang mit einem Ereignis steht, das nach der Erfassung der Wertminderung stattgefunden hat. Eine solche Auflösung wird in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst.
Standard IAS 39 enthält umfangreiche Angaben zur Ausbuchung finanzieller Vermögenswerte. Vor der Entscheidung über die Ausbuchung muss die Berichtseinheit feststellen, ob sich die Ausbuchung bezieht auf:
Die Berichtseinheit nimmt eine Ausbuchung des finanziellen Vermögenswerts vor, wenn:
Die Übertragung finanzieller Vermögenswerte wird noch genauer erörtert. Zunächst muss eine Berichtseinheit entscheiden, ob der Vermögenswert übertragen wurde oder nicht. Wenn klar ist, dass der finanzielle Vermögenswert übertragen wurde, muss die Berichtseinheit feststellen, ob auch die Risiken und Chancen aus dem Eigentum des finanziellen Vermögenswerts übertragen wurden.
Eine Berichtseinheit überträgt einen finanziellen Vermögenswert, indem sie entweder die vertraglichen Rechte zum Empfang der Zahlungsströme daraus überträgt oder die vertraglichen Rechte zum Empfang der Zahlungsströme aus dem Vermögenswert behält, aber eine vertragliche Verpflichtung übernimmt, diese Zahlungsströme gemäß einer Vereinbarung weiterzugeben (oder an einen oder mehrere Empfänger auszuzahlen), und zwar wie folgt:
Wenn im Wesentlichen alle Risiken und Chancen übertragen wurden, wird der Vermögenswert ausgebucht. Wenn im Wesentlichen alle Risiken und Chancen behalten wurden, muss die Berichtseinheit den Vermögenswert weiter in ihrem Abschluss ausweisen.
Wenn die Berichtseinheit die Risiken und Chancen aus dem Eigentum des Vermögenswerts im Wesentlichen weder behalten noch übertragen hat, muss sie prüfen, ob sie die Verfügungsgewalt über den Vermögenswert behalten hat oder nicht.
Hat die Berichtseinheit diese Verfügungsgewalt nicht behalten, muss sie den Vermögenswert ausbuchen. Hat die Berichtseinheit hingegen die Verfügungsgewalt behalten, muss sie den Vermögenswert insofern weiter erfassen, als sie weiter an dem Vermögenswert beteiligt ist.
Die Übertragung finanzieller Vermögenswerte wird später im Zusammenhang mit IAS 39 genauer erörtert. Auch in den Anwendungshinweisen zu Paragraf 36 sind die Schritte der Ausbuchung in einem einfachen Entscheidungsbaum zusammengefasst. Sie können sich im nachstehenden Video mit diesem Entscheidungsbaum vertraut machen.
Eine Berichtseinheit führt eine Ausbuchung finanzieller Verbindlichkeiten durch, wenn diese getilgt sind. Dies tritt ein, wenn die im jeweiligen Vertrag festgelegte Verpflichtung erfüllt, aufgehoben oder ausgelaufen ist.
In dieser kurzen Zusammenfassung möchten wir nicht näher erklären, was Absicherung bedeutet und wie es funktioniert. Wir versprechen Ihnen jedoch, dies mit einem anschaulichen Beispiel in einem zukünftigen Artikel nachzuholen. Hier fassen wir nur kurz zusammen, was IAS 39 zum Thema Absicherung aussagt.
IAS 39 erlaubt eine Bilanzierung von Sicherungsgeschäften nur dann, wenn alle nachstehenden Voraussetzungen erfüllt sind:
IAS 39 beschreibt nun die Regeln für drei Arten von Sicherungsgeschäften: Absicherungen des beizulegenden Zeitwerts, von Zahlungsströmen und einer Nettoinvestition in eine ausländische Teileinheit.
Die Absicherung eines beizulegenden Zeitwerts ist die Absicherung des Risikos von Änderungen des beizulegenden Zeitwerts eines bilanzierten Vermögenswerts, einer bilanzierten Verbindlichkeit oder einer bilanzunwirksamen festen Verpflichtung, die sich auf den Gewinn oder Verlust auswirkt. Der Gewinn oder Verlust aus der Veränderung des beizulegenden Zeitwerts des Sicherungsinstruments wird unmittelbar in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst. Die Berichtseinheit sollte auch den Buchwert des Grundgeschäfts um den dem abgesicherten Risiko zuzurechnenden Gewinn oder Verlust aus dem Grundgeschäft anpassen und im Gewinn oder Verlust erfassen.
Die Absicherung von Zahlungsströmen ist eine Absicherung gegen das Risiko schwankender Zahlungsströme, das auf ein bestimmtes, mit dem bilanzierten Vermögenswert oder der bilanzierten Verbindlichkeit oder dem mit einer erwarteten und mit hoher Wahrscheinlichkeit eintretenden künftigen Transaktion verbundenes Risiko zurückzuführen ist und Auswirkungen auf den Gewinn oder Verlust haben könnte. Jener Teil des Gewinns oder Verlusts aus dem Sicherungsinstrument, der als effektiv erkannt wird, ist im sonstigen Gesamtergebnis zu erfassen. Der ineffektive Teil ist in der Gewinn- und Verlustrechnung zu erfassen. IAS 39 schreibt weiterhin Regeln für die Bilanzierung vor, wenn eine erwartete Transaktion in der Folge zur Erfassung eines finanziellen oder nicht finanziellen Vermögenswerts oder einer Verbindlichkeit führt.
Die Absicherung einer Nettoinvestition in einen ausländischen Geschäftsbetrieb wird in gleicher Weise wie eine Absicherung von Zahlungsströmen bilanziert.
IAS 39 gibt auch prospektiv an, wann die Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen einzustellen ist:
Standard IAS 39 beschäftigt sich mit all diesen Fragen im Detail und enthält auch Anwendungshinweise. Insgesamt handelt es sich um einen sehr komplexen und strikten Standard.
Die Regelungen des IAS 39 umfassen die Bilanzierung und Bewertung von Finanzinstrumenten. Von diesen Regelungen ausgenommen sind unter anderem Anteile an Tochterunternehmen, Rechte und Pflichten aus Leasingverhältnissen, Rechte und Pflichten aus Leistungen an Arbeitnehmer, Eigenkapitalinstrumente oder Rechte und Pflichten aus Versicherungsverträgen.
Auf Grund der Änderung durch das IASB an IAS 39 und der Verfassung des IFRS 9 sind die Vorschriften zur Klassifizierung und Bewertung von Finanzinstrumenten im IAS 39 herausgenommen und im IFRS 9 definiert. Im Folgenden werden daher die im IAS 39 geltenden Regelungen zur Wertminderung von Finanzinstrumenten und zum Hedge-Accounting erläutert. Für die Bilanzierung und Bewertung von Finanzinstrumenten wird auf die Ausführungen zu IFRS 9 verwiesen.
Als fortgeführte Anschaffungskosten eines finanziellen Vermögenswertes oder einer finanziellen Verbindlichkeit wird nach IAS 39.9 der Betrag beim erstmaligen Ansatz der entsprechenden Position abzüglich von kumulierten Amortisationen, die unter Anwendung der Effektivzinsmethode zum Stichtag ermittelt worden sind, und abzüglich von Minderungen auf Grund von Wertminderungen oder Uneinbringlichkeit.
Ein Sicherungsinstrument ist ein derivativer oder nicht derivativer finanzieller Vermögenswert oder eine finanzielle Verbindlichkeit, mittels dessen Zeitwert oder Cashflows die Wertschwankungen in dem Zeitwert oder den Cashflows eines entsprechenden Grundgeschäftes kompensiert werden sollen.
Nach IAS 39.58 hat ein Unternehmen an jedem Abschlussstichtag zu ermitteln, ob es objektive Hinweise dafür gibt, dass bei einem finanziellen Vermögenswert eine Wertminderung eingetreten ist. Anhaltspunkte hierfür können nach IAS 39.59 unter anderem finanzielle Schwierigkeiten des Emittenten oder Schuldners, Ausfälle oder Verzug bei Zins- und Tilgungszahlungen oder die erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz oder eines sonstigen Sanierungsverfahrens eines Kreditnehmers sein.
Die Wertminderung eines Finanzinstrumentes ergibt sich nach IAS 39.63 aus der Differenz zwischen Buchwert des finanziellen Vermögenswertes und dem Barwert der zukünftigen Cashflows, die noch nicht um künftige, noch nicht erlittene Ausfälle korrigiert worden sind. Für die Abzinsung wird der ursprüngliche Effektivzins zu Grunde gelegt. Die Wertminderung ist erfolgswirksam zu erfassen.
Bei einer Wertaufholung in den Folgeperioden ist der Buchwert des finanziellen Vermögenswerts gemäß IAS 39.65 höchstens bis zu seinen fortgeführten Anschaffungskosten aufzuholen. Die Wertaufholung ist erfolgswirksam zu erfassen.
Die Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen ist zum einen abhängig von der Art der Sicherungsbeziehung und zum anderen davon, ob die entsprechende Sicherungsbeziehung die Voraussetzungen zum Hedge Accounting (z.B. Dokumentation der Sicherungsbeziehung und der Risikomanagement-Strategien, Effektivität des Sicherungsgeschäfts), d.h. die Bildung von geschlossenen Positionen, nach IAS 39.88 gegeben sind.
Dient die Sicherungsbeziehung zur Absicherung des beizulegenden Zeitwertes eines entsprechenden Grundgeschäftes („Fair-Value-Hedge“), so ist der Gewinn oder der Verlust aus der Neubewertung des Sicherungsinstrumentes und Änderungen des Buchwertes des Grundgeschäftes nach IAS 39.89 erfolgswirksam zu erfassen.
Bei der Absicherung von Zahlungsströmen durch ein Sicherungsgeschäft („Cashflow-Hedge“) und der Erfüllung der Voraussetzungen des Hedge Accounting sind nach IAS 39.95 Gewinne und Verluste aus der Neubewertung des Sicherungsinstrumentes, die auf den wirksamen Teil der Sicherungsbeziehung entfallen, im sonstigen Ergebnis zu erfassen. Der unwirksame Teil ist erfolgswirksam zu erfassen.
Ergibt sich aus dem Sicherungsgeschäft später ein finanzieller Vermögenswert oder eine finanzielle Verbindlichkeit, so sind die im sonstigen Ergebnis erfassten Beträge nach IAS 39.97 in die GuV umzugliedern, wenn die abgesicherten Zahlungsströme erfolgswirksam erfasst werden.
Resultiert das Sicherungsgeschäft in späteren Perioden im Ansatz eines nicht finanziellen Vermögenswertes oder einer nicht finanziellen Verbindlichkeit, kann das Unternehmen nach IAS 39.98 zum einen die im sonstigen Ergebnis erfassten Beträge in die GuV umgliedern oder zum anderen die im sonstigen Ergebnis erfassten Beträge aus dem Eigenkapital entfernen und in den Anschaffungskosten im Zugangszeitpunkt des Vermögenswertes oder der Verbindlichkeit erfassen.
Die Absicherung einer Nettoinvestition in einen ausländischen Geschäftsbetrieb ist nach IAS 39.102 in der gleichen Art und Weise zu bilanzieren, wie die Absicherung von Zahlungsströmen. Bei Veräußerung des ausländischen Geschäftsbetriebes sind die im sonstigen Ergebnis erfassten Beträge in die GuV umzugliedern.
Sämtliche Angabepflichten zu Finanzinstrumenten sind in den Vorschriften des IFRS 7 geregelt.
IFRIC 12 | Dienstleistungsverträge |
IFRIC 16 | Absicherung einer Nettoinvestition in einen ausländischen Geschäftsbetrieb |
IFRIC 19 | Tilgung finanzieller Verbindlichkeiten durch Eigenkapitalinstrumente |
Bei Fragen zu IAS 39 oder zu anderen IAS, IFRS, SIC oder IFRIC kontaktieren Sie bitte die IFRS-Experten der WTS Advisory unter 0711/6200749-0 oder info-advisory(at)wts.de.
Stand: Mai 2013
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