Menschen sind kreativ und erfindungsreich. Kein Wunder also, dass sie auch eine Vielzahl an Finanzinstrumenten erdacht und geschaffen haben. Geben Sie es ruhig zu – kennen Sie sich wirklich bei all den Derivaten, unterschiedlichsten Aktienoptionen, Bezugsrechten, Zertifikaten, Wandelanleihen und dergleichen aus?
Das ganze Gebiet ist wirklich kompliziert und schwer verständlich, auch aus der Perspektive der Anwendung der IFRS. Was die Sache zusätzlich erschwert, sind die zwei verschiedenen Standards zum Thema Finanzinstrumente: IAS 39 und IFRS 9.
Hierzu müssen wir etwas erklären:
Standard IAS 39 in seiner aktuellen Form ist seit 2005 in Kraft. Sein Zweck war es, einheitliche Regeln für die Bilanzierung von Finanzinstrumenten vorzuschreiben, damit diese von den Unternehmen auf transparente und konsistente Weise dargestellt werden können.
Tatsächlich passierte das Gegenteil. IAS 39 erwies sich als extrem kompliziert und enthielt zahlreiche Ausnahmen, Inkonsistenzen und Abweichungen. Die Unternehmen hatten schwer zu kämpfen und investierten eine Menge Geld nur für die richtige Anwendung von IAS 39.
Daher entschied sich das International Accounting Standards Board (IASB) für die Neufassung und den Ersatz des alten Standards. Der neue Standard erhielt die Bezeichnung IFRS 9 – Finanzinstrumente.
Es ist allerdings kein Kinderspiel, einen so komplizierten Standard zu ersetzen. Der damit verbundene Prozess verläuft deshalb in drei Phasen:
IFRS 9 liegt somit noch nicht vollständig vor, sondern es wird noch daran gearbeitet.
Phase 1, die sich mit der Klassifizierung und Bewertung von Finanzinstrumenten befasst, ist bereits abgeschlossen. Die Vorschriften zur Klassifizierung und Bewertung finanzieller Vermögenswerte wurden bereits neu abgefasst und im November 2009 als neuer Standard IFRS 9 herausgegeben. Im Oktober 2010 folgten die finanziellen Verbindlichkeiten.
Daneben kommt aber noch der alte Standard IAS 39 zur Anwendung, während das IASB hart an der Neufassung der fehlenden Teile von IFRS 9 arbeitet. So stehen derzeit etwa der Wertminderungsansatz und die Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen zur Diskussion.
Doch Vorsicht! Die Anwendung des neuen Standards IFRS 9 wird ab dem 1. Januar 2018 verpflichtend sein. Das ist zwingend (vorbehaltlich des Endorsement durch die EU). Wenn ein Unternehmen IFRS 9 aber bereits vor 2018 anwenden möchte, ist das möglich und zulässig, muss jedoch im Abschluss klar angegeben werden.
Wie bereits erwähnt, haben Sie bis 2018 die Wahl. Da IFRS 9 erst ab 2018 grundsätzlich vorgeschrieben ist, können Sie bis dahin:
Denken Sie vor allem daran, dass IFRS 9 grundsätzlich spätestens ab 2018 vorgeschrieben sein wird. Ab dann können Sie IAS 39 vergessen. Sie haben die Wahlmöglichkeit also nur in dieser Übergangszeit.
Wenn Sie nur wenige Finanzinstrumente auszuweisen haben, werden Sie die Auswirkungen eines Umstiegs von IAS 39 auf IFRS 9 wahrscheinlich kaum spüren.
Doch sollten Sie für ein Finanzinstitut tätig sein, etwa für eine Bank oder eine Investmentgesellschaft, empfehlen wir Ihnen definitiv, die verschiedenen Auswirkungen der beiden Standards gründlich zu analysieren. Wir werden noch in anderen Artikeln etwas zu IAS 39 und IFRS 9 schreiben, aber lassen Sie uns den Gedanken kurz skizzieren.
Überlegen Sie, welche Arten von finanziellen Vermögenswerten Sie in Ihren Büchern haben.
Einfach gesagt führt IFRS 9 die Möglichkeit zur Bewertung von Eigenkapitalinstrumenten (z. B. Aktien anderer Unternehmen) zum beizulegenden Zeitwert im sonstigen Gesamtergebnis ein. Der Ausweis aller Neubewertungsgewinne und -verluste in der Gewinn- und Verlustrechnung ist also nicht mehr notwendig. Das kann für Sie eine erheblich geringere Ergebnisvolatilität bedeuten. Wenn Ihnen also eine stabilere Darstellung der Erträge für Ihre Anteilseigner lieber ist, könnte Ihnen IFRS 9 gefallen.
Einige Institute bevorzugen allerdings den alten Standard IAS 39. Denn IFRS 9 sieht beispielsweise strengere Regeln für die Neuklassifizierung von finanziellen Vermögenswerten vor oder schafft die bilanzielle Trennung eingebetteter Derivate ab – eine Regelung, die situationsbedingt für einige Organisationen wenig attraktiv sein dürfte.
Das war es wieder in aller gebotenen Kürze. Wir werden in Zukunft noch mehr über IAS 39 und IFRS 9 schreiben, weil uns die Schwierigkeiten und die Komplexität im Vergleich zu anderen Standards absolut bewusst sind. Bitte schicken Sie Ihre Kommentare oder eine E-Mail mit weiteren Fragen, damit wir darüber in zukünftigen Artikeln schreiben und Ihnen hoffentlich behilflich sein können.
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