Die IFRS und die US-GAAP nähern sich immer weiter an, so dass wir hoffentlich in der Zukunft über weitgehend einheitliche Rechnungslegungsstandards verfügen werden. Bis dahin bleibt allerdings noch einiges zu tun. Immer noch müssen sich viele Unternehmen sowohl mit der Bilanzierung nach IFRS als auch mit der nach den US-GAAP auseinandersetzen. Die Leute in den Finanzabteilungen der Unternehmen können ein Lied davon singen, wie mühsam und schwierig es häufig ist, die Unterschiede zwischen den IFRS und den US-GAAP zu erkennen und die entsprechenden Anpassungen vorzunehmen. In unserer Beratungspraxis sind wir schon auf sehr viele Überleitungen und Anpassungen etc. zwischen den IFRS und den US-GAAP gestoßen. An dieser Stelle möchten wir daher kurz die gravierendsten Unterschiede zwischen den Standards skizzieren, zumindest die, deren Beseitigung uns besonders schwierig erscheint. Sehen wir uns das näher an.
Es ist sehr schwierig, einfach nur alle Unterschiede in der Umsatzrealisierung zwischen den US-GAAP und den IFRS herauszuarbeiten. Dies hängt mit den vergleichsweise viel umfangreicheren Regelungen der Umsatzrealisierung nach den US-GAAP zusammen.
Im Rahmen der IFRS finden wir Regelungen zur Revenue Recognition in zwei Standards: Dazu gehören IAS 18, Umsatzerlöse sowie IAS 11, Fertigungsaufträge. Dagegen werden in den US-GAAP zunächst einige Grundkonzepte skizziert und dann detaillierte Regeln der Umsatzrealisierung für verschiedene Branchen vorgelegt.
Daher ist es fast unmöglich, alle Unterschiede auf diesem Gebiet aufzulisten. Nein, man muss sich schon zu einer gründlichen Analyse jeder einzelnen Transaktion durchringen, bevor man Überlegungen zu ihrer Bilanzierung anstellen kann. Doch lassen Sie uns die wichtigsten Unterschiede kurz illustrieren.
Der Zeitpunkt der Umsatzrealisierung kann in mehreren Fällen unterschiedlich sein, vor allem dann, wenn bedingte Kaufpreise eine Rolle spielen. Einfach ausgedrückt sind Umsätze, wenn der Preis noch nicht feststeht, nach den IFRS früher zu realisieren als nach den US-GAAP.
Die Bilanzierung nach den IFRS erfordert die Realisierung von Umsätzen, sobald wahrscheinlich ist, dass der Berichtseinheit ein wirtschaftlicher Nutzen aus der Transaktion zufließen wird, und sobald die Umsätze verlässlich festgestellt werden können. Das bedeutet, dass auch bedingte Kaufpreise (deren Höhe unsicher ist) realisiert werden, sofern zwei Voraussetzungen erfüllt sind.
Dagegen werden nach den US-GAAP feststehende oder feststellbare Preise als Kriterium für eine Realisierung von Umsätzen vorgeschrieben. Umsätze können somit erst realisiert werden, wenn die Bedingtheit wegfällt (und ein bestimmter Betrag feststeht). Umsätze in bedingter oder unsicherer Höhe können daher nach den IFRS früher realisiert werden als nach den US-GAAP.
Andere, sehr verbreitete Unterschiede bei der Realisierung von Umsätzen hängen mit der Aufteilung einer Transaktion in mehrere gesonderte Komponenten, mit der Methode der Zuordnung der Umsätze zu den verschiedenen Komponenten, mit Kundenbindungsprogrammen in Mehrkomponentenverträgen, mit Fertigungsaufträgen, mit der Wertzuordnung von Tauschgeschäften, mit der Abzinsung von Umsätzen (die nach den IFRS häufiger vorgeschrieben ist als nach den US-GAAP) und vielen anderen zusammen.
Um die Unterschiede zu verringern und US-GAAP und IFRS ein wenig anzugleichen, haben FASB (Herausgeber der US-GAAP) und IASB (Herausgeber der IFRS) einen überarbeiteten Vorschlag für einen neuen Umsatzrealisierungsstandard vorgelegt. Darin werden die wichtigsten Grundsätze der Umsatzrealisierung skizziert und Inkonsistenzen zwischen den US-GAAP und den IFRS korrigiert.
Auch hier stoßen wir auf einige fundamentale Unterschiede. Zunächst ist der Umfang der Regelungen unterschiedlich. Während die US-GAAP detaillierte Regelungen quer durch verschiedene branchenspezifische Standards und Verlautbarungen beinhalten, befassen sich im Rahmen der IFRS nur zwei Standards damit, nämlich IFRS 7 über die Angabe und IFRS 9 über sonstige Fragen zum Thema Finanzinstrumente (bzw. aktuell noch IAS 32 und IAS 39).
Das Erste, was Sie mit einem finanziellen Vermögenswert tun müssen, ist, ihn zu klassifizieren. IAS 39 und IFRS 9 teilen finanzielle Vermögenswerte in mehrere Kategorien ein, während nach den US-GAAP finanzielle Vermögenswerte in verschiedene „Pronouncements“, also Vorschriften, gegliedert werden. Auch klassifizieren IAS 39 und IFRS 9 Vermögenswerte im Wesentlichen anhand der Art des Instruments, während nach den US-GAAP die Rechtsform den Ausschlag gibt.
Sie müssen verstehen, wie wichtig die Klassifizierung finanzieller Vermögenswerte ist – anhand der Klassifizierung nehmen Sie die Bewertung dieser Vermögenswerte vor und erfassen Bewertungsgewinne oder -verluste in der Gewinn- und Verlustrechnung oder im Eigenkapital. Daher kann die unterschiedliche Klassifizierung derselben finanziellen Vermögenswerte nach den US-GAAP und nach den IFRS im Abschluss zu enormen Differenzen zwischen den ausgewiesenen Beträgen führen.
Vor allem bei Ausbuchungen, wenn ein finanzieller Vermögenswert Ihren Abschluss verlässt, bestehen signifikante Unterschiede. Nach den US-GAAP geht es darum, ob die (effektive und rechtliche) Beherrschung des Vermögenswerts aufgegeben wurde. Nach den IFRS (IAS 39/IFRS 9) fragen Sie sich hingegen, ob es zu einer Übertragung eines Vermögenswerts samt Risiken und Chancen gekommen ist oder nicht, und manchmal ist zu hinterfragen, ob es zu einem Übergang der Kontrolle gekommen ist.
Somit könnten nach den US-GAAP einige Vermögenswerte ausgebucht werden, nach den IFRS jedoch nicht. Nehmen wir das Factoring von Forderungen mit Rückgriffsanspruch als Beispiel: Die abgetretenen Forderungen können nach den US-GAAP ausgebucht werden, nach den IFRS jedoch nicht (Factoring mit Rückgriffsanspruch bedeutet, dass die Factoring-Gesellschaft Forderungen rückübertragen kann, wenn diese kritisch und uneinbringlich werden. Das Risiko bleibt somit beim ursprünglichen Eigentümer der Forderung und liegt nicht bei der Factoringgesellschaft).
In Bezug auf finanzielle Vermögenswerte wären noch viele weitere Unterschiede aufzuzählen, wie etwa die Behandlung von eingebetteten Derivaten in hybriden Finanzinstrumenten, die Bildung und die Auflösung von Wertminderungen sowie Fair-Value-Bewertungen. Es ist nur leider nicht möglich, sie alle hier in diesem kurzen Artikel anzuführen.
Hier bestehen zwischen den IFRS und den US-GAAP massive Unterschiede bezüglich der Wertminderungstests (Impairment Tests). Diese können zu einer Entscheidung darüber führen, ob eine Wertminderung vorliegt oder nicht.
IAS 36, Wertminderung von Vermögenswerten, schreibt einen einstufigen Wertminderungstest vor. Die Berichtseinheit ist verpflichtet, den Buchwert des Vermögenswerts mit dessen erzielbarem Betrag (dem höheren Wert von beizulegendem Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten oder Nutzungswert) zu vergleichen.
Dagegen kommt nach den US-GAAP ein zweistufiges Verfahren zur Anwendung: Der erste Schritt besteht im Vergleich des Buchwerts mit den nicht abgezinsten Zahlungsströmen. Sollte der Buchwert geringer sein, wird keine Wertminderung erfasst. Im zweiten Schritt, wenn der Buchwert höher ist als die nicht abgezinsten Zahlungsströme, wird eine Wertminderung erfasst, berechnet als die Differenz zwischen Buchwert und beizulegendem Zeitwert.
Somit könnte nach IAS 36 eine Wertminderung erfasst werden, nach den US-GAAP jedoch nicht.
Außerdem bedient man sich nach den IFRS bei Wertminderungstests abgezinster Zahlungsströme (zur Berechnung des Nutzungswerts), nach den US-GAAP hingegen nicht abgezinster Zahlungsströme. Die IFRS legen genauer als die US-GAAP fest, welche Anforderungen jeweils erfüllt sein müssen. So können die Wertminderungen unterschiedlich hoch ausfallen.
Eine der größten Diskrepanzen auf diesem Gebiet ist die grundsätzlich Unzulässigkeit der Aktivierung intern entstandener Entwicklungskosten nach den US-GAAP, während sie nach den IFRS zulässig ist – sofern bestimmte Bedingungen gemäß IAS 38 erfüllt sind. Eine Ausnahme hierbei bilden allerdings die Softwareentwicklungskosten, die zumindest theoretisch auch nach US-GAAP aktiviert werden können (in der Praxis jedoch häufig nicht werden).
Weitere Unterschiede bestehen bei den Wertminderungstests immaterieller Vermögenswerte mit unbegrenzter Nutzungsdauer. Diese können zu einer Entscheidung darüber führen, ob eine Wertminderung vorliegt oder nicht, wobei die Erfassung nach den IFRS früher erfolgt.
Die IFRS (IAS 2) gestatten keine LIFO-Bewertung von Vorräten (Last In – First Out), die US-GAAP hingegen schon. Für die US-Gesellschaften, die LIFO anwenden, ist das wichtig, weil ihr Betriebsergebnis nach den IFRS und nach den US-GAAP ganz unterschiedlich ausfallen kann.
Sie könnten nun einwenden, dass es doch sicher gravierendere Unterschiede als die von uns angesprochenen gibt. Darüber lässt sich wahrscheinlich streiten und jeder hat seine eigenen Präferenzen.
In all den Jahren unserer Beschäftigung mit Finanzen und Bilanzen sind uns aber die genannten fünf Unterschiede als besonders heikel und schwer verständlich aufgefallen, wenn es um entsprechende Anpassungen zwischen den IFRS und den US-GAAP ging. Nehmen wir etwa die Vorräte – diese wenigen Zeilen machen richtig viel Mühe, wenn die Jahresendbestände von LIFO (nach den US-GAAP) auf FIFO oder den gewichteten Durchschnitt (FIFO ist einfacher) umgerechnet werden sollen.
Natürlich existieren noch viel mehr Unterschiede, etwa bei der Klassifizierung von Leasingverhältnissen oder bei Leistungen an Arbeitnehmern.
Es bleibt zu hoffen, dass eines Tages IASB und FASB zu einer Einigung gelangen und alle bestehenden Unterschiede eliminieren werden. Wie viel Aufwand würden sie damit all denen ersparen, die sich mit der Erstellung von Abschlüssen plagen!
Sollten Sie noch Fragen haben oder auf Probleme stoßen, senden Sie uns doch bitte eine Mitteilung, die wir sehr gerne beantworten.
Ihr Kontakt zu uns
Sie haben Fragen zu unseren Services oder der WTS Advisory? Wir freuen uns auf Ihre Nachricht oder Ihren Anruf!